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Working conditions and sustainable work

Zum langsamen Start der Lohntransparenz in Deutschland: Ein Blick nach Europa

4 Februar 2019

One year after Germany’s introduction of the Entgelttransparenzgesetz (Wage Transparency Act), the results are somewhat underwhelming. This law is Germany’s take on the European Commission’s recommendation on introducing pay transparency measures to combat the gender pay gap.

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Christine Aumayr-Pintar is a senior research manager in the Working Life unit at Eurofound. Her current research topics include minimum wages, collectively agreed wages and gender...

Senior research manager,
Working life research unit

Ein Jahr nach der Einführung des Entgelttransparenzgesetzes sind die ersten Befunde noch nicht wirklich beeindruckend. Dieses Gesetz ist Deutschlands Antwort auf die Empfehlung der Europäischen Kommission von 2014, zumindest eine von vier Lohntransparenz-Maßnahmen [i] einzuführen, um die Lohnschere zwischen Männern und Frauen zu schließen. Das Gesetz ermächtigt ArbeitnehmerInnen von Firmen mit mehr als 200 Arbeitnehmern nachzufragen, was Ihre KollegInnen in vergleichbaren Positionen verdienen. Größere privatwirtschaftliche Unternehmen mit mehr als 500 MitarbeiterInnen müssen zudem regelmäßig ihre Lohnstrukturen überprüfen und – sofern sie nach dem Handelsgesetzbuch berichtspflichtig sind – auch Details zu Ihren Praktiken und Maßnahmen bezüglich gleicher Entlohnung beider Geschlechter zu veröffentlichen.

Soweit, so gut. Nach dem ersten Jahr zeigen jedoch bereits einige deutsche Studien, dass die Maßnahmen erst langsam anlaufen: Betriebsräte berichten[1] , dass nur eine Minderheit der Unternehmen ihre Entgeltstrukturen überprüfen, und weniger als einer von zehn Personalverantwortlichen[2]gibt an, dass Beschäftigte in ihrem Unternehmen von diesem neuen Recht auf Auskunft Gebrauch gemacht haben. Selbst in den größten Unternehmen ist der Anteil – mit 16% – sehr gering.

Ist das deutsche Gesetz daher nur ein zahnloser ‘Papiertiger’, der allein administrativen Aufwand generiert? Ein Blick in andere EU Mitgliedsstaaten zeigt, dass auch diese mit Startschwierigkeiten konfrontiert waren: In Dänemark, zum Beispiel, wo die Berichtslegung allerdings auch kleine und mittlere Betriebe betrifft, sind sehr viele Unternehmen ihrer Pflicht nicht nachgekommen. Oder in Belgien musste der Start verschoben werden, da erste Ungereimtheiten über das Format der Berichte noch geklärt werden mussten.

Der Glaube an das Vorhandensein der Lohnschere ist wichtig

Man könnte diesen Artikel zum Entgelttransparenzgesetz aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt und mit einem positiveren Befund – zumindest für Deutschland – beginnen: Deutschland ist nur eines von elf Mitgliedsländern der EU, welche die – nichtbindende - Empfehlung der Kommission zum Anlass genommen haben eine derartige Maßnahme einzuführen oder zu revidieren [3] . Dieser geringe Umsetzungsgrad weist darauf hin, dass wohl auch auf staatlicher Ebene oft der Glaube an die Notwendigkeit fehlt.

Eurofounds‘ Studie zum Thema, welche auf Evaluierungsstudien von Ländern mit ersten Erfahrungen mit unterschiedlichen Transparenzmaßnahmen beruht, zeigt, dass – von oftmals zu vielen Akteuren - selbst gesetzliche Vorgaben in diesem Bereich nur dann – vollständig - umgesetzt werden, wenn auch Handlungsbedarf gesehen wird.

Transparenzmaßnahmen werden nur eingeführt und tatsächlich umgesetzt und weiterentwickelt, wenn Regierungen und Sozialpartner von der Existenz einer Lohnschere überzeugt sind, und wenn sie auch meinen, dass diese geschlossen werden soll. Firmenchefs und Personalverantwortliche werden nur dann beginnen, ihre Entlohnungsstrukturen zu durchforsten, und BetriebsrätInnen nur dann nachfragen, wenn sie zumindest an die Möglichkeit glauben, dass sich darin Scheren auftun könnten.

Auch in Deutschland scheint (noch?) Ungläubigkeit zu herrschen: Eine Umfrage unter 1,000 leitenden Personalverantwortlichen [4] hat ergeben, dass ein großer Anteil unter ihnen die Effektivität des Gesetzes bezweifelt. Fast alle jedoch (98%) geben an, dass in ihrem Unternehmen keine Lohnschere zwischen MitarbeiterInnen in ähnlichen Positionen oder welche die gleiche Arbeit ausüben existiert. Etwaige Lohnunterschiede, so die Befragten, könnten mit anderen individuellen Faktoren, wie Erfahrung, Leistung und Bildung erklärt werden - nicht aber mit dem Geschlecht.

Sinnvoller Sozialdialog kann nicht verordnet werden

Wären etwaige Sanktionen eine Lösung? Auch Frankreich hatte anfangs einen geringen Umsetzungsgrad seiner verpflichtenden Gleichstellungsberichte auf Unternehmensebene, erhöhte die Strafen und in Folge stieg auch die Anzahl der das Gesetz befolgenden Unternehmen [5] . Allerdings stellte sich auch weiterhin die Frage, ob diese ‚Sanktionspeitsche‘ auch das häufige Schicksal der Berichte – in Schubladen zu enden – löste [6].

Das wirkliche Potential von allen der vier von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Transparenzmaßnahmen – liegt im Prozess der Umsetzung unter Miteinbeziehung aller betroffenen und beteiligten Akteure – sonst sind sie wohl tatsächlich das Papier nicht wert. Es geht darum, ein Bewusstsein für die Existenz von Lohnscheren zu schaffen: sie im Datenmaterial zu entdecken, da sie in den allermeisten Fällen wohl nicht auf den ersten Blick offensichtlich sind oder rasch als ‚erklärbar‘ nicht weiter hinterfragt werden. Ursachen festzustellen, mit Beschäftigen, deren VertreterInnen zu diskutieren, Lösungsansaetze gemeinschaftlich zu entwickeln und etwaige Scheren zu beheben.

Einkommensberichte oder –analysen selbst beantworten selten Fragen. Sie zeigen welche auf. Sanktionen für Unternehmen, welche ihrer Berichtspflicht nicht nachkommen, würden vermutlich helfen, einen größeren Anteil derselben – mehr oder weniger sanft – zur Erstellung zu bewegen. Einige zusätzliche ‚Aha-Erlebnissen‘ werden garantiert sein. Aber keine (Geld-)strafe oder anderweitige Aktion, wie zum Beispiel öffentliches Anprangern, kann den für dieses Instrument so essentiellen Sozialdialog herbeiführen. Diesen müssen die Akteure auf Unternehmensebene, aber auch die Tarifpartner untereinander und mit den jeweiligen Regierungen - selbst wollen und sinnvoll gestalten.

Transparenz ohne Durchblick

Das deutsche Entgelt-Transparenz-Gesetz ist sehr weitreichend, da es drei der vier vorgeschlagenen Transparenzmaßnahmen umfasst. Und trotzdem wurde es bis jetzt – im Unterschied zur britischen Variante, die auch erst kürzlich eingeführt wurde – noch kaum wahrgenommen. Auch im Vereinten Königreich müssen Unternehmen nun Einkommensberichte erstellen und auf einer dafür vorgesehenen Website veröffentlichen. Diese Einkommensstatistiken umfassen den durchschnittlichen Unterschied im Stundenlohn zwischen Männern und Frauen im gesamten Unternehmen, sowie innerhalb von vier Einkommensvierteln, begleitet vom Anteil der Beschäftigen Männer und Frauen in jedem dieser Viertel. Bonuszahlungen werden separat ausgewiesen und auch Erklärungen können beigefügt werden. Während diese Statistiken relativ einfach sind und nur erste Schritte fürs Aufdecken von Lohnscheren sind, so hat der Britische Ansatz doch ein enormes (Medien)-Echo und öffentliches Interesse bewirkt. Die Debatten griffen Schlüsselfragen der Lohnscherenforschung auf und schafften dadurch wohl auch etwas mehr Bewusstsein für das Vorhandensein und Ausmaß von ‚vertikaler‘ und ‚horizontaler‘ Segregation, oder besser: Warum hat Ryanair nur so wenige Pilotinnen und warum sind so wenige Frauen im –bestbezahlten – Finanzdienstleistungssektor und wenn dann nicht in Führungsrollen?

In den deutschsprachigen EU Ländern, wo wie auch in anderen das Thema ‚Löhne und Gehälter‘ mit einem stärkeren Tabu behaften ist, sind auch die gesetzlichen Transparenzmaßnahmen stärker geheimnisbehaftet. In Österreich dürfen die auf Unternehmensebene erstellten Berichte nicht außerhalb des Unternehmens geteilt oder diskutiert werden, und in Deutschland enthalten jene Berichte die veröffentlicht werden keine konkreten Einkommensdaten. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch nicht zu verwunderlich, dass auch einzelne deutsche ArbeitnehmerInnen nicht von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch machen.

Schweden: Auch nach 25 Jahren noch am Ball

Maßnahmen zur Lohntransparenz sind ein relativ neues Instrument der Europäischen Politik. Mit der Ausnahme der Skandinavischen Länder, wo sie bereits seit zehn bis 25 Jahren im Einsatz sind, haben die meisten EU Länder erst seit wenigen Jahren oder sogar noch keine Erfahrung mit diesen. Die Analyse der ersten Erfahrungen zeigt, dass sich die Einführungsphase öfter schwierig gestaltete. Dies sollte die politischen Entscheidungsträger jedoch nicht demotivieren, da es schon jetzt eine Fülle an Varianten und ersten Erfahrungen gibt, von denen gelernt werden kann, wie die nationale Transparenzvariante gestärkt oder adaptiert werden könnte. Schweden - das auch insgesamt weniger Tabus beim Thema Einkommenstransparenz kennt - hat bereits seit 25 Jahren Erfahrung mit diesen Instrumenten, und hat dieses kontinuierlich weiterentwickelt: Von ersten einfachen Lohnstatistiken zu größeren Berichten, bis hin zu umfangreicheren Analysen die nicht ‚nur‘ Lohnscheren zwischen Geschlechtern in ähnlichen Positionen aufdecken, sondern auch weiter hinterfragen, ob und warum gleichwertige Arbeit die vorwiegend von Frauen ausgeübt wird, schlechter bezahlt wird.

Und die Schweden haben bis heute nicht aufgehört, ihre Maßnahmen (nebst vielen anderen) weiterzuentwickeln, da sie immer noch der Meinung sind, dass es eine Lohnschere zwischen Männern und Frauen tatsächlich gibt, und diese geschlossen werden soll.


[i] Diese sind: Ein individuelles Auskunftsrecht für Beschäftigte; Berichterstattung über das Entgelt für Firmen mit mehr als 50 Beschäftigten, Entgelt-Audits für Firmen mit mindestens 250 Beschäftigten; das Ermutigen der Sozialpartner ‚Lohntransparenz‘ zum Gegenstand von Tarifverhandlungen zu machen.

 

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