Aufgrund der schnellen Fortschritte in der Robotertechnologie geht man davon aus, dass das Ausmaß der Interaktion zwischen Beschäftigten und Robotern an modernen Arbeitsplätzen zunehmen wird. Die fortgeschrittene Robotertechnik nutzt häufig die Fortschritte in den Bereichen künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Sensortechnologien, um ein höheres Maß an Komplexität und Vielseitigkeit zu erreichen. Die verbesserten Fähigkeiten von Robotern der neuen Generation erleichtern eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern, unter anderem durch die Gewährleistung der Sicherheit, wenn Menschen und Roboter nah beieinander arbeiten. Dies bedeutet eine Abkehr von den herkömmlichen Robotern, die sich oft in Käfigen in der Produktionshalle befinden, um sie von den menschlichen Bedienern zu trennen. Trotz der zahlreichen Vorteile bestehen weiterhin Bedenken dahingehend, dass sich die Beschäftigten ständig an neue oder sich verändernde Aufgaben und Funktionen anpassen müssen, die Tätigkeiten der Beschäftigten in einem noch nie dagewesenen Maß an Detaillierungsgrad überwacht werden können, die Autonomie und Kontrolle über das Arbeitstempo vermindert wird sowie neue Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, einschließlich psychosozialer Risiken auftreten können. Auf der Grundlage von Umfragedaten und Fallstudien zu fortschrittlichen Robotersystemen und -anwendungen geht dieser Bericht auf die Chancen und Herausforderungen ein, die mit einer engeren Mensch-Roboter-Interaktion einhergehen, um einen Beitrag zur breiteren politischen Debatte über die Automatisierung der Arbeit zu leisten.
Key messages
- Der Einsatz von Robotern ist zunehmend konzentrierter: Weniger Unternehmen setzen Roboter ein, aber die Zahl der Roboter pro Unternehmen nimmt zu. Angesichts der Herausforderungen beim Arbeitskräfteangebot, die sich aus der demografischen Alterung ergeben, wird die Nachfrage nach Robotern voraussichtlich steigen.
- Roboter in erster Linie zur Verbesserung der Produktivität zu nutzen, ist möglicherweise eine verpasste Gelegenheit für eine sinnvollere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter.
- Roboter führen nicht zu weit verbreiteten Arbeitsplatzverlusten, wie befürchtet wurde: Die Auswirkungen der Automatisierung auf die Beschäftigung sind differenzierter und das führt derzeit zu mehr Veränderungen bei den Stellenprofilen als zu Stellenkürzungen.
- Während der Einsatz von Robotern vor allem durch die Notwendigkeit vorangetrieben wurde, hochpräzise Ergebnisse und Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten, erfordert eine wirklich effektive Mensch-Roboter-Interaktion einen verstärkten Fokus auf die Qualität der Arbeit und eine aktivere Beteiligung der betroffenen Beschäftigten.
- Automatisierung kann zu Produktivitätswachstum und folglich zur Schaffung von Arbeitsplätzen mit guter Qualität führen. Die positiven Ergebnisse der Automatisierung sollten auf gerechte Weise allen Beschäftigten zu Gute kommen.
Executive summary
Fortgeschrittene Robotersysteme und -anwendungen transformieren Arbeitsplätze; sie verändern die Art und Weise, wie die Arbeit ausgeführt wird, was häufig zu Änderungen der Geschäftsmodelle und zur Neufestlegung von Rollen, Aufgaben und Arbeitsmethoden führt. Künstliche Intelligenz (KI) hat eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung dieser Systeme gespielt und ihnen mehr Fähigkeiten, Funktionen und Flexibilität als herkömmlicheren Robotern verliehen. KI hat auch die nahtlose Zusammenarbeit und Interaktion zwischen Menschen und Robotern in verschiedenen Wirtschaftszweigen ermöglicht. Dies wird am deutlichsten durch kollaborative Roboteranwendungen veranschaulicht, bei denen KI eine engere Interaktion zwischen den Beschäftigten und Robotern in gemeinsamen Arbeitsbereichen ermöglicht.
Da fortschrittliche Roboter in modernen Arbeitsumgebungen immer komplexer werden und häufiger eingesetzt werden, ist es für die erfolgreiche Integration von Robotern in die Arbeitswelt von entscheidender Bedeutung, zu verstehen, wie die Beschäftigten und Roboter interagieren und welche Auswirkungen dies auf die Arbeitsorganisation und die Arbeitsbedingungen hat. Die Veränderungen, die durch autonome oder halbautonome fortgeschrittene Robotertechnik herbeigeführt werden, erfordern sorgfältige Überlegungen und ein proaktives Management, um positive Auswirkungen auf Unternehmen und Beschäftigten sicherzustellen.
Auf der Grundlage von Umfragedaten und Fallstudien, in denen fortschrittliche Robotersysteme und -anwendungen zur Automatisierung von Aufgaben untersucht wurden, leistet dieser Bericht einen Beitrag zur politischen Debatte über die Automatisierung der Arbeit, indem er neue Formen der Interaktion zwischen Beschäftigten und Robotern und die damit verbundenen Veränderungen der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen aufzeigt.
Politischer Kontext
Im Gegensatz zu herkömmlichen Robotern, die sich in der Regel in Gehäusen und in einem sicheren Abstand zum Menschen befinden, sorgen fortschrittliche Roboter, die mit Sensoren und erweiterten Funktionen ausgestattet sind, für mehr Sicherheit in der nahen Umgebung von Menschen. Sie ermöglichen eine engere Interaktion und Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter, die sich durch gemeinsame Ziele und stärker synchronisierte Aufgaben auszeichnet. Trotz dieser Vorteile können die Formen der Interaktion, die sich aus der Nutzung zunehmend fortschrittlicher Robotersysteme ergeben, insbesondere solcher mit eingebetteten KI-Fähigkeiten, neue politische und regulatorische Herausforderungen mit sich bringen. Das Konzept der Ausrichtung auf den Menschen ist wichtiger denn je, um eine sichere und effektive Mensch-Roboter-Interaktion zu gewährleisten.
Im Rahmen der digitalen Strategie der EU haben mehrere politische Initiativen zum Thema KI einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz für die Entwicklung und Nutzung von Technologien in den Vordergrund gestellt. Im Zusammenhang mit der fortgeschrittenen Robotik bedeutet das, dass sichergestellt werden muss, dass die Systeme in einer Weise konzipiert und eingesetzt werden, die die menschlichen Werte und Grundrechte respektiert. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission Schritte unternommen, um Fragen der Haftung und Rechenschaftspflicht anzugehen, die sich aus der KI-Nutzung ergeben und eine überarbeitete Produkthaftungsrichtlinie und eine Richtlinie über die zivilrechtliche Haftung für KI vorgeschlagen.
Sicherheit ist ein weiteres wichtiges Anliegen im Zusammenhang mit der Mensch-Roboter-Interaktion, und mit der Annahme der neuen europäischen Maschinenverordnung (Verordnung (EU) 2023/1230) durch die EU im Jahr 2023 wurde versucht, die Sicherheitsanforderungen für Maschinen (und verwandte Produkte) auf dem EU-Markt zu aktualisieren. In dieser Verordnung wird anerkannt, dass Sicherheitsrisiken über physische Schäden hinausgehen und auch psychischen Stress betreffen. Das primäre Rechtsinstrument, das Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit regelt, bleibt jedoch die Rahmenrichtlinie zu Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (89/391/EWG).
Weitere zentrale Herausforderungen, die sich aus der Interaktion mit fortgeschrittenen Robotern ergeben, betreffen Qualifikationsanforderungen. Seit einiger Zeit erkennt die EU die Auswirkungen des technologischen Fortschritts auf den Arbeitsmarkt und die von Arbeitskräften benötigen Qualifikationen an. Eine wichtige politische Initiative in diesem Zusammenhang ist die Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz. Die Agenda umfasst mehrere Maßnahmen mit Schwerpunkt auf Weiterbildungen und Umschulungen, um sicherzustellen, dass Bescäftigte über die für die derzeitigen und künftigen Arbeitsmärkte erforderlichen Kompetenzen verfügen.
Wichtigste Erkenntnisse
- Die Einführung von Robotertechnologien wird von externen und internen Faktoren beeinflusst. Nach Daten der Eurostat-Erhebung über den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen spielen hohe Arbeitskosten und Schwierigkeiten bei der Einstellung von Personal als Gründe für Investitionen in Roboter eine wichtige Rolle. Erhöhte Wettbewerbsfähigkeit und Produktivitätssteigerungen sind wichtige interne Faktoren.
- Industrie- und Dienstleistungsroboter sind am weitesten in großen Unternehmen verbreitet. Im Jahr 2022 verwendete etwa ein Fünftel der großen Unternehmen in der EU Industrieroboter (zum Schweißen, Laserschneiden usw.), während nur ein Zehntel der Unternehmen Dienstleistungsroboter (für Überwachung, Transport usw.) nutzte. Die Akzeptanz bei kleinen und mittleren Unternehmen ist deutlich niedriger, was in erster Linie auf die erheblichen Kapitalinvestitionen zurückzuführen ist, die für die Einführung von Robotertechnologien erforderlich sind, und auf die notwendigen Skaleneffekte, um die daraus resultierenden Effizienzsteigerungen voll auszuschöpfen.
- Bei der Bewertung der Risiken, die mit Interaktionen zwischen Menschen und Robotern verbunden sind, konzentrieren sich die Betriebe tendenziell auf die physische Sicherheit, lassen aber die psychosozialen Auswirkungen außer Acht. Eine stärkere Einbeziehung den Beschäftigten in die Gestaltung und den Einsatz von Robotertechnologien könnte dazu beitragen, bestimmte Stressfaktoren zu verringern, insbesondere Unsicherheiten, die sich in den Anfangsphasen der Einführung von Technologien ergeben. Die Beteiligung den Beschäftigten ist häufig erforderlich, um Systeme oder Anwendungen an das betriebliche Umfeld anzupassen oder zu individualisieren.
- Bei der Integration von robotergestützten Lösungen in den Arbeitsplatz und bei der Priorisierung einer sicheren Nutzung von Technologien können Programme für das Änderungsmanagement dazu beitragen, Unsicherheiten zu beseitigen, die Resilienz den Beschäftigten gegenüber Veränderungen zu erhöhen und sie in die Lage zu versetzen, sich an neue Arbeitsabläufe anzupassen. In den meisten Betrieben waren für die Arbeit mit modernen Geräten keine besonderen Qualifikationen oder Zertifizierungen nötig. Dennoch erforderte die Einführung von Robotersystemen in einigen Betrieben in bestimmten Branchen (z. B. verarbeitendes Gewerbe) oder in bestimmten Funktionen (z. B. Führungskräfte und Vorgesetzte) neue digitale, analytische und soziale Kompetenzen.
- Während Daten aus einer Umfrage der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz darauf hindeuten, dass die Interaktion zwischen Mensch und Roboter mit einer erhöhten Arbeitsintensität, einer verstärkten Überwachung, einer Verschlechterung des sozialen Umfelds und einer eingeschränkten Autonomie einhergeht, deuten Fallstudien darauf hin, dass die negativen Ergebnisse eher auf organisatorische Faktoren und Managemententscheidungen als auf die Technologie selbst zurückzuführen sind.
Empfehlungen für die Politik
- Robotertechnologien, insbesondere wenn sie KI-gestützt sind, versprechen, die Produktivität zu steigern, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhöhen, monotone Aufgaben zu erleichtern, die körperliche Belastung zu verringern und die Arbeit interessanter und lohnender zu machen. Um diese Vorteile zu nutzen, müssen die Beschäftigten jedoch verstärkt in die Gestaltung technologischer Lösungen eingebunden werden und dürfen nicht nur als Kostenfaktor betrachtet werden, der auf ein Minimum reduziert werden soll. Politische Maßnahmen sind von entscheidender Bedeutung für die Förderung einer auf den Menschen ausgerichteten Gestaltung; dazu zählen, Sensibilisierungskampagnen, öffentliche Anreize für Forschung und Entwicklung mit Schwerpunkt auf der Ausrichtung auf den Menschen sowie die Erstellung von Leitlinien für ethische und auf den Menschen ausgerichtete Entwicklung.
- Die Sozialpartner können eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung politischer Maßnahmen spielen, die auf den Menschen ausgerichtete Werte priorisieren und partizipatorische Ansätze bei der Gestaltung und Umsetzung von Technologien an Arbeitsplätzen einbeziehen. Die Rahmenvereinbarung 2020 der europäischen Sozialpartner über die Digitalisierung ist ein wichtiges Instrument zur Koordinierung der Bemühungen und zur Förderung der Ausrichtung auf den Menschen im Zusammenhang mit der Robotik.
- Kontinuierliche Anstrengungen sollten auf die Unterstützung von Ausbildungsinitiativen ausgerichtet werden, bei denen der Entwicklung von Kompetenzen Priorität eingeräumt wird, die für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter relevant sind, einschließlich digitaler Kompetenz sowie Anpassungsfähigkeit und Resilienz angesichts der Automatisierung. Ebenso wichtig ist es, die wirksame Umsetzung von Grundsatz 10 der europäischen Säule sozialer Rechte (Gesundheit und Sicherheit) und des strategischen Rahmens der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sicherzustellen.
The report contains the following lists of tables and figures.
List of tables
- Table 1: Examples of advanced robots
- Table 2: Number of interviews and types of interviewees across the selected establishments
- Table 3: Main characteristics of the case studies investigated
- Table 4: Main reasons enterprises use robots, 2022 (%)
- Table A1: Results of fixed-effects logistic regressions of the association between using robots at work and working conditions
List of figures
- Figure 1: Share of enterprises using industrial or service robots in the EU, 2018–2022 (%)
- Figure 2a: Share of enterprises using industrial (A) and service (B) robots, by size of enterprise, 2022 (%) - Industrial robots
- Figure 2b: Share of enterprises using industrial (A) and service (B) robots, by size of enterprise, 2022 (%) - Service robots
- Figure 3: Share of enterprises using service robots in the EU, by purpose, 2018–2020 (%)
- Figure 4: Share of enterprises using industrial and service robots in the EU, by sector, 2022 (%)
- Figure 5: Average marginal effect of robot use on working conditions
- Figure 6: Share of workers reporting initiatives to address and prevent OSH risks in establishments using robots that interact with humans, 2022 (%)
- Number of pages
-
62
- Reference nº
-
EF23010
- ISBN
-
978-92-897-2409-8
- Catalogue nº
-
TJ-09-24-447-EN-N
- DOI
-
10.2806/601796
- Permalink