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Abstract

Drei Jahre nach der Annahme der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) wird in diesem Bericht überprüft, inwieweit die Sozialpartner im Jahr 2023 an der laufenden Umsetzung der im Rahmen dieser Initiative finanzierten Reformen und Investitionen beteiligt waren. Ferner wird analysiert, wie gut sie an der Vorbereitung der nationalen Reformprogramme 2023 im Rahmen des Europäischen Semesters beteiligt sind.

Gemäß der Verordnung über die ARF sind die Sozialpartner bei der Ausarbeitung und der Umsetzung der Reform- und Investitionspläne im Rahmen der ARF zu konsultieren. Des Weiteren setzt sich die Europäische Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters dafür ein, dass sie an der Ausarbeitung der nationalen Reformprogramme beteiligt werden. In diesem Bericht wird der Schluss gezogen, dass der Grad ihrer Beteiligung an beiden Prozessen in den einzelnen Ländern nach wie vor heterogen ist und von mehreren Faktoren abhängt.

Key messages

Die Sozialpartner auf nationaler Ebene bewerten ihre Beteiligung an den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen derzeit sehr unterschiedlich. Dies spiegelt frühere Erkenntnisse wider, wonach ihre Beteiligung insgesamt noch nicht voll zufriedenstellend ist.
 

In der zweiten Phase der Umsetzung der ARF muss es zu einem vorrangigen Anliegen werden, die Sozialpartner systematisch, auf sinnvolle Weise und rechtzeitig in die Entwicklung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik sowie anderer einschlägiger politischer Maßnahmen einzubeziehen. Es ist unerlässlich, dass diese verstärkten Bemühungen eng mit der Empfehlung des Rates zur Stärkung des sozialen Dialogs aus dem Jahr 2023 und der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte abgestimmt werden.
 

Da die Regierungen und die Sozialpartner nunmehr in die zweite Phase der Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne übergehen, wird erwartet, dass anhand der Erfahrungen aus den ersten Phasen sichergestellt wird, dass die Sozialpartner regelmäßig und umfassend auf verschiedenen Ebenen einbezogen werden.
 

Nach Ansicht der Sozialpartner wird eine angemessene und sinnvolle Konsultation durch den Mangel an angemessenen Informationen und Rückmeldungen seitens der Behörden sowie durch die fehlende Zeit für den Austausch eingeschränkt. Bei der Analyse dieser Einschätzungen ist es jedoch wichtig, die verschiedenen Faktoren zu berücksichtigen, die eine Rolle spielen, etwa die Komplexität der Governance-Strukturen.
 

Angesichts des zunehmend komplexen und unsicheren wirtschaftlichen Kontextes in der EU ist eine bessere und umfassendere Beteiligung der Sozialpartner an der Gestaltung der nationalen Wirtschafts-, Sozial- und Nachhaltigkeitspolitik erforderlich. Durch die Beteiligung der Sozialpartner wird ein wichtiger Beitrag zu wirksameren Strukturreformen und Investitionen in der EU geleistet.

Executive summary

Die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) ist ein befristetes Finanzierungsinstrument, das im Februar 2021 mit der Verordnung (EU) 2021/241 eingerichtet wurde. Das ursprüngliche Ziel des Instruments war es, die Mitgliedstaaten der EU dabei zu unterstützen, sich von der COVID-19-Pandemie zu erholen, ihre Wirtschaft und Gesellschaft zu stärken und sie auf den ökologischen und den digitalen Wandel vorzubereiten. Die ARF war ursprünglich auf die Pandemie beschränkt, wurde aber mittelfristig (bis 2026) verlängert. Sie ist der Eckpfeiler des ehrgeizigen Programmpakets „NextGenerationEU“ und wurde in den Rahmen des Europäischen Semesters zur Koordinierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik gestellt. Die Finanzmittel aus der ARF sollen dazu dienen, die in den länderspezifischen Empfehlungen des Rates der Europäischen Union erwähnten Herausforderungen anzugehen.

 

Die Europäische Kommission hat die Regierungen der Mitgliedstaaten aufgefordert, die Sozialpartner am Europäischen Semester zu beteiligen, und in der Verordnung über die ARF heißt es, dass sie bei der Ausarbeitung und Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne zu konsultieren sind. In diesem Bericht wird untersucht, inwieweit die Sozialpartner in die laufende Umsetzung der in den Aufbau- und Resilienzplänen für 2023 vorgesehenen Reformen und Investitionen eingebunden sind. Ferner wird analysiert, wie gut sie an der Vorbereitung der nationalen Reformprogramme 2023 im Rahmen des Europäischen Semesters beteiligt sind.

 

Politischer Kontext

Der Zyklus des Europäischen Semesters 2023 fand vor dem herausfordernden Hintergrund des Krieges in der Ukraine und des unsicheren wirtschaftlichen Kontextes, einschließlich hoher Inflation und Versorgungsengpässen, statt. Diese Probleme haben sich auf die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne der Mitgliedstaaten ausgewirkt, obwohl die Umsetzung der ARF insgesamt planmäßig verläuft. Nach Angaben der Kommission gingen bis zum 1. September 2023 31 ARF-Zahlungsanträge von 19 Mitgliedstaaten ein, und 153,4 Mrd. EUR wurden ausgezahlt. Gleichwohl berichteten einige Mitgliedstaaten über Probleme im Zusammenhang mit den Verwaltungskapazitäten, Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Fristen aufgrund unerwarteter Verzögerungen bei den Arbeiten und den anfallenden Kosten sowie bei der Erreichung der Etappenziele.

 

Nach der Änderung der Verordnung über die ARF haben 23 Mitgliedstaaten freiwillig geänderte Aufbau- und Resilienzpläne vorgelegt, die ein neues REPowerEU-Kapitel enthalten. Die Mitgliedstaaten legten diese Kapitel als Reaktion auf die durch die Invasion Russlands in der Ukraine verursachte Störung des globalen Energiemarktes vor. Im Rahmen des REPowerEU-Plans werden mit der ARF zusätzliche Reformen und Investitionen unterstützt, um die Ziele des Plans zu erreichen. Dazu gehören die Verringerung des Energieverbrauchs, die Unterstützung der Umschulung von Arbeitskräften mit Blick auf eine grüne Zukunft, die Bekämpfung der Energiearmut und die allgemeine Beschleunigung der Energiewende.

 

Wichtigste Erkenntnisse

Institutionelle Rahmenbedingungen für die Beteiligung

Jeder Mitgliedstaat hat die für die Umsetzung seines Aufbau- und Resilienzplans am besten geeignete Governance-Struktur gewählt, in Übereinstimmung mit den nationalen Rahmenbedingungen für den sozialen Dialog. Die institutionellen Rahmenbedingungen für die Beteiligung der Sozialpartner sind demnach sehr unterschiedlich, da einige Mitgliedstaaten spezielle Rahmenbedingungen und Verfahren geschaffen haben, während andere die bestehenden Kanäle des sozialen Dialogs nutzen.

 

Die Sozialpartner der meisten Mitgliedstaaten berichteten, dass sie durch eine Kombination von Maßnahmen einbezogen werden. In den Mitgliedstaaten, in denen der soziale Dialog nicht in einem formellen oder institutionellen Rahmen geführt wird, stellen Ad-hoc- oder informelle Konsultationen zwischen zwei oder drei Parteien den wichtigsten Rahmen für ihre Beteiligung dar. In anderen Ländern wurden Ad-hoc-Konsultationsverfahren eingerichtet, um die Sozialpartner alternativ zu ihrer Beteiligung über etablierte Institutionen des sozialen Dialogs einzubeziehen. Des Weiteren haben einige Regierungen Konsultationen durchgeführt, um die Beteiligung über die Sozialpartner hinaus auf die Organisationen der Zivilgesellschaft auszudehnen.

 

In einer Reihe von Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Malta, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern) bilden die bestehenden Institutionen für den Zwei- und Dreiparteiendialog einen gemeinsamen Rahmen für die Beteiligung der Sozialpartner, allerdings ist diese Form der Beteiligung in einigen Fällen zweitrangig oder ergänzend zu anderen Rahmen.

 

In einigen wenigen Ländern werden die Sozialpartner im Rahmen neuer Gremien oder spezieller Arbeitsgruppen einbezogen, die im Rahmen des Europäischen Semesters oder zur Überwachung der Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne eingerichtet wurden. Dies ist in einigen mittel- und osteuropäischen Ländern (Polen, Rumänien, Slowakei und Ungarn) und in Südeuropa (Italien, Portugal und Spanien) gängige Praxis.

 

Qualität der Beteiligung

Wie schon bei früheren Feststellungen zur Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne wurde von den Sozialpartnern bemängelt, dass zu wenig Zeit für Konsultationen zur Verfügung steht, wodurch eine angemessene und sinnvolle Konsultation erschwert wird.

 

Gleichermaßen wird die Qualität des Austauschs mit den nationalen Behörden im Allgemeinen negativ bewertet. Die Sozialpartner sind mit ihren begrenzten Möglichkeiten, die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne zu beeinflussen, unzufrieden. Dies liegt entweder an zeitlichen Zwängen oder an einem Mangel an angemessenen Informationen oder Rückmeldungen seitens der nationalen Behörden.

 

Diese Einschätzungen sind jedoch differenziert und in ihrem jeweiligen Kontext zu betrachten, da sie von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden können. Einer davon ist das unterschiedliche Tempo der Umsetzung in den einzelnen Ländern. Einige Mitgliedstaaten befinden sich noch in der Anfangsphase bezüglich der Einsetzung von Überwachungsausschüssen für ihre nationalen Aufbau- und Resilienzpläne. Deshalb können die Einschätzungen der Sozialpartner durch Debatten über die Zusammensetzung oder die Vereinbarung von Verfahrensregeln für diese Ausschüsse beeinflusst werden.

 

Die Arbeitgeberverbände sind insgesamt zufriedener mit ihrer Beteiligung an der Umsetzung von Reformen und Investitionen in den meisten Politikbereichen als die Gewerkschaften. Dies lässt sich durch die Art der Reformen und Investitionen erklären, die in den nationalen Plänen vorgesehen sind.

 

Die Auffassungen der Sozialpartner werden jedoch durch die komplexen Governance-Strukturen für die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne (einschließlich Ministerien, verschiedener Verwaltungs- oder Regionalstellen usw.) beeinflusst. Infolgedessen ist es schwierig, eine angemessene und aussagekräftige Analyse der verschiedenen beteiligten Gremien, Institutionen und Ausschüsse vorzunehmen.

 

Den Sozialpartnern zufolge hat die Europäische Kommission sie aktiv über die Entwicklungen im Zusammenhang mit der ARF informiert und sie in diese einbezogen. Diese Beteiligung hat verschiedene Formen angenommen, darunter ein regelmäßiger Austausch mit den für das Europäische Semester zuständigen Bediensteten der Kommission, Treffen mit der Taskforce „Aufbau und Resilienz“ und die Beteiligung an Informationssitzungen. Diese Gelegenheiten, sich Gehör zu verschaffen, wurden von den meisten teilnehmenden Sozialpartnern genutzt.

 

Empfehlungen für die Politik

  • Seit ihrer Annahme im Jahr 2021 – während der COVID-19-Krise – wurde die ARF weiterentwickelt, mit dem Ziel, sie an ein sich veränderndes geopolitisches Umfeld und schwierige wirtschaftliche Umstände anzupassen. Die Lehren, die sowohl die Regierungen als auch die Sozialpartner aus den ersten Phasen der Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne gezogen haben, sollten nun zu einer stabileren zweiten Phase führen, in der die Sozialpartner auf verschiedenen Ebenen regelmäßiger und umfassender einbezogen werden sollten.
     
  • Je komplexer und unsicherer der wirtschaftliche Kontext ist, desto besser und umfassender sollte die Beteiligung der Sozialpartner an der Gestaltung der Wirtschafts-, Sozial- und Nachhaltigkeitspolitik sein. Diese Beteiligung wird dazu beitragen, die Wirksamkeit der in den Aufbau- und Resilienzplänen festgelegten Strukturreformen und Investitionen zu gewährleisten und ihre Rechtmäßigkeit zu erhöhen.
     
  • Im Einklang mit der vom Rat am 12. Juni 2023 angenommenen Empfehlung zur Stärkung des sozialen Dialogs in der Europäischen Union und mit der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte sollte der systematischen, sinnvollen und rechtzeitigen Beteiligung der Sozialpartner bei der Entwicklung von beschäftigungs- und sozialpolitischen Maßnahmen und anderen einschlägigen politischen Maßnahmen in der zweiten Phase der Umsetzung der ARF, die bis Ende 2026 laufen wird, größere Priorität eingeräumt werden.
     

The report contains the following lists of tables and figures.

List of tables

  • Table 1: Categories of settings for involvement of social partners in RRP implementation and associated Member States
  • Table 2: Time allotted for institutionalised tripartite or bipartite social dialogue
  • Table 3: Adequacy of the form of involvement in institutionalised tripartite or bipartite social dialogue
  • Table 4: Meaningful exchange of views through institutionalised tripartite or bipartite social dialogue
  • Table 5: Time allotted in specific bodies or working groups for RRP implementation or for the European Semester
  • Table 6: Meaningful exchange of views in working groups for RRP implementation or the European Semester
  • Table 7: Involvement in formal consultations on the REPowerEU chapter
  • Table 8: Information provided to the social partners on the REPowerEU chapter
  • Table 9: Was enough time allotted?
  • Table 10: Degree of involvement: Was it an actual consultation process?
  • Table 11: Balance: Were trade unions and employer organisations consulted on an equal footing?
  • Table 12: Were the social partners’ views acknowledged explicitly?
  • Table 13: Social partners’ assessment of the influence of their views on the content of the 2023 NRPs
  • Table 14: Regular or irregular exchanges with the European Commission’s European Semester officers
  • Table 15: Participation in European Commission missions
  • Table 16: Participation in ad hoc meetings
  • Table A1: Organisations that participated in the study, by Member State
  • Table A2: National correspondents who contributed to the research

List of figures

Number of pages
64
Reference nº
EF23060
ISBN
978-92-897-2391-6
Catalogue nº
TJ-02-24-145-EN-N
DOI
10.2806/43618
Permalink

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